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EHC Thun vs Hockey Huttwil 5:3
Huttwil verliert in Thun 3:5. Der Song von Helene Fischer «Wann stehen wir auf?» passt wunderbar zur dramatischen Ausgangslage der Huttwiler. Vor allem der Refrain: « Wann wachen wir auf? Was hält uns noch auf?»
Von Milena Zaugg
Wir können es auch so sagen: Mit der Niederlage in Thun (3:5) beginnen die Playoffs früher als erwartet: Wollen die Huttwiler in die echten Playoffs, dann müssen sie die zwei letzten Spiele am Mittwoch zu Hause gegen Lyss und am Samstag in Düdingen gewinnen. Jede weitere Niederlage kann nun die echten Playoffs kosten. Zwei Spiele, zweimal verlieren verboten: Das ist ungefähr so wie Playoffs.
Verteidiger Michael Minder hatte die Niederlage vom Mittwoch gegen Franches-Montagnes verdaut und sagte: «Der Frust war gross, weil wir nicht das abrufen konnten, was wir wollten.“ Und er blickte bereits voraus zur nächsten Partie in Thun: «Wir müssen unserem Gameplan in Thun unbedingt konsequent durchsetzen. Und vor allem mit Überzeugung spielen. So werden wir zu Chancen kommen, die wir kaltblütig ausnützen werden.“ Der Gameplan ist im Hockey das, was mit dem Trainer vor dem Spiel besprochen wird. Also die Taktik und die Art und Weise, wie gespielt werden soll.
Rund 70 Stunden nach der bitteren Verängerungs-Niederlage auf eigenem Eis gegen den Aufsteiger hiess der Gegner EHC Thun. Das vom ehemaligen Nationalliga-Stürmer Daniel Steiner gecoachte Spitzenteam. Michael Minder versprach sich viel von diesem Spiel: „Es ist ein Berner Derby und wird ein intensives Spiel. Also ein Super Hockey Abend.“ Vorbereitet hat er sich gut. „Lecker gegessen und dann mit meiner Freundin Sevi an die frische Luft. Und auf der Fahrt nach Thun darf im Car natürlich ein guter Kaffee nicht fehlen.“
Es war also angerichtet für ein Hockeyfest. 667 Männer, Frauen und Kinder begehrten in Thun Einlass. Sie wussten: Wenn Huttwil kommt, rockt es. Um Punkt 17:15 wurde der Puck eingeworfen. Aber wo waren bloss die guten Vorsätze geblieben? Die Vorbereitung aufs Spiel war doch gut! Bereits nach 37 Sekunden bezwang Gil Reymondin Torhüter Kevin Liechti. Thun führte 1:0. Zwar gelang Jan Andreas Weber noch der Ausgleich zum 1:1 (13. Minute). Aber die Freude währte nur kurz. Nur 69 Sekunden später lag der Puck schon wieder im Kasten von Kevin Liechti. Nun tobte Cheftrainer Daniel Bieri auf der Spielerbank. Und das zurecht: Auf dem Video wird später klar zu sehen sein, dass Stürmer Marc Luca Scheuner, Torhüter Kevin Liechti mit dem Stock im Nacken behindert hat. Aber in der MyHockey League kann der Coach – anders als in der höchsten Liga – keine Video-Konsultation verlangen.
Dieser zweite Treffer so kurz nach dem Ausgleich erschütterte die Huttwiler. Nach 25 Minuten und 35 Sekunden führte Thun bereits 4:1. Nun reagierte Daniel Bieri: Er ersetzte Kevin Liechti durch Siro Nicola Wyss. Hatte Kevin Liechti haltbare Treffer zugelassen? Nein. Er war bis zu seiner Auswechslung ein guter Goalie. Aber eben kein grosser Goalie wie letzte Saison. Der Grund für den Torhüterwechsel war nicht in erster Linie die Leistung. Es ging dem Trainer mehr darum, ein Zeichen zu setzen. Siro Nicola Wyss hatte kein Tor mehr kassier. Zum 5:2 trafen die Thuner ins leere Gehäuse als Daniel Bieri den Goalie durch einen sechsten Feldspieler ersetzte.
Der Goaliewechsel half: Die zweite Hälfte des Spiels gewannen die Huttwiler 3:1 und im letzten Drittel sahen wir endlich das wahre Huttwil: Konzentriert, leidenschaftlich, dominant und intensiv. Es gelang auf 4:2 zu verkürzen. Zu mehr reichte es aber nicht mehr. Michael Minders Matchanalyse bringt es auf den Punkt: „Wir haben fast zwei Drittel lang eigentlich nur reagiert und nicht agiert.“ Es sei zu lange nicht gelungen, dem Spiel den Stempel aufzudrücken. „Erst im letzten Drittel haben wir das Spiel gemacht. Das ist in dieser ausgeglichenen Liga halt einfach zu wenig.“ Wobei noch anzufügen ist: Thun hatte verdient gewonnen. Nur ein wahres Huttwil – und zwar von der ersten bis zur letzten Minute - hätte diesen gut organisierten, disziplinierten und physisch starken Gegner besiegen können.
Zu spät erwachte also. Die Huttwiler haben kein hockeytechnisches Problem. Sie haben auch nicht zu wenig Talent. Die Differenz zur letzten Saison ist wohl in erster Linie mentaler Natur: Die Köpfe schienen wieder nicht frei zu sein. Erst als alles verloren schien, nach dem 1:4, sahen wir das wahre Huttwil. Es ist nicht fehlender Wille oder eine falsche Taktik. Eher ist es eine Verkrampfung. Weil jeder zu viel will.
Ist der Kopf nicht frei, geht der Puck nicht rein. Die Frage ist also: Wie finden die Huttwiler für die letzten zwei Partien Lockerheit und Selbstvertrauen? Die dramatische Ausgangslage vor den letzten zwei Partien besingt Helene Fischer treffend: «Wann stehen wir auf? Wann wachen wir auf? Was hält uns noch auf?» Lyss am Mittwoch auf eigenem Eis (20:00Uhr) und am Samstag Düdingen (18.00 Uhr) können Huttwil auf dem Weg in die Playoffs noch aufhalten. Aber die Huttwiler sind eigentlich bei weitem gut genug, um sich weder von Lyss noch von Düdingen aufhalten zu lassen.